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Seit dem Sturz von meinem Pferd ist alles anders

Ein Sturz vom Pferd, keine große Sache? Oder doch?   Wie wieder in den Sattel kommen?

Seit diesen einen Sturz (oder auch mehrere) ist alles anders. Es ist so frustrierend, denn seit diesem Sturz geht nichts mehr. Jedes mal, wenn dein Pferd nur mit dem Ohr wackelt oder den Kopf hebt, startet dein Panikprogramm?

 

Vielleicht erstarrst du auch und kannst dich kaum mehr bewegen, geschweige denn einen klaren Gedanken fassen?

 

  • Selbst wenn dein Pferd mit nur einer Parade anzuhalten wäre, du bist nicht mehr in der Lage diese Parade zu geben?
  • Dein Körper scheint dir nicht mehr zu gehorchen?
  • Zudem bist du kaum mehr in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen, deine Gedanken drehen sich nur noch um die Horrorszenarien, was jetzt alles passieren könnte? 

Was die Panik in dir nur noch mehr steigen lässt, vielleicht hat auch dein Körper begonnen zu zittern und zu schwitzen? Die innere Unruhe, der Druck auf der Brust und der Kloß im Hals sind kaum mehr auszuhalten. Und manchmal hat man auch das Gefühl kaum mehr Luft zu bekommen, die Kehle fühlt sich an wie zugeschnürt. 

 

Das sind wirklich starke und schwer aushaltbare Symptome, die einen Grund haben. Und wenn du das einmal verstanden hast, wird häufig die Angst beim Reiten bereits ein Stück kleiner!

Stürze und Kontrollverlust beim Reiten

Ich will dir zunächst ein paar Dinge zum Thema Trauma erklären, was eine Erfahrung zu einer traumatischen Erfahrung macht und wann es dann zum Trauma werden kann. 

 

Es sind Ereignisse, welche 

  • sehr plötzlich auftreten, kennst du das Sprichwort “aus heiterem Himmel”, ja so unerwartet und plötzlich kommen solche Situationen über einen und später kommt die Angst auch gerne so plötzlich aus heiterem Himmel über einen
  • sehr heftig, mit einer zerstörerischen Kraft auf uns wirken
  • mit einer Ausweglosigkeit einhergehen. Ich fühle mich völlig hilflos, ausgeliefert und ohnmächtig. Ich habe die komplette Kontrolle verloren, was später auch diese Panik vor einem erneuten Kontrollverlust immer größer werden lässt
  • deren Dauer variieren kann. Es kann also ein ganz bestimmter Sturz sein, oder auch mehrere, ein immer wieder durchgehendes oder bockendes Pferd (selbst, wenn du es schaffst oben zu bleiben) 

 

 

Definition Trauma - DMS-IV

Potenzielle oder reale Todesbedrohungen, ernsthafte Verletzungen oder eine Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit bei sich oder bei anderen, auf die mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Schrecken reagiert wird.

 

Oder auch eine andere Definition

Traumata sind plötzliche oder lange anhaltende oder auch sich wiederholende objektiv oder subjektiv existenzielle bedrohliche und ausweglose Ereignisse, bei denen Menschen in die Schutzlosigkeit geraten. 

 

Also sie sich nicht durch Flucht oder Kampf aus der Situation befreien können, wodurch du dich dann hilflos und ohnmächtig fühlst. Durch die Ausweglosigkeit und die Menge an Adrenalin, die dein Körper bereits ausgeschüttet hat um dich Kampf- und Fluchtbereit zu machen erstarrt dein Körper. Welches das Gefühl von ausgeliefert sein aufkommen lässt. 

 

In diesen Situationen des “unausweichlichen Schocks” arbeitet, reagiert, verarbeitet und speichert dein Gehirn anders als bei sonstigen Erfahrungen und Erlebnisse. 

Und das führt dann dazu, dass es auf normalem Wege, mit einfach immer wieder machen und in kleinen Schritten weiter gehen häufig nicht weiter hilft, sondern zum Teil noch Tiefer in einen Teufelskreis führt. 

Warum es so schwer sein kann nach einem Sturz wieder in den Sattel zu kommen

Wenn dein Pferd durchgeht, buckelt, steigt oder sich wie ein Pulverfass bereit macht zu explodieren, ist unsere körperliche Unversehrtheit bedroht. Wir befinden uns in einer bedrohlichen Situation, aus der wir uns unter Umständen weder durch Flucht noch durch Kampf befreien können.

 

Wir sind somit unserem Pferd bzw. der Situation hilflos und ohnmächtig ausgeliefert. Wir sind der Macht die auf uns wirkt unterlegen. Das klingt ganz schön hart, da es um unser Pferd geht, welchem wir vertrauen wollen, mit dem wir eine Beziehung haben, es ist unser Partner. Dieser Beziehungsaspekt spielt auch noch einmal eine große Rolle, auf welche ich an dieser Stelle noch nicht tiefer eingehe. Jedoch um so stärker unsere Bindung zu unserem Pferd umso härter kann uns dieses Ereignis treffen. 

 

Kontrollverlust und die Angst davor beim Reiten die Kontrolle zu verlieren

Du verlierst die Kontrolle über dein Pferd, du verlierst die Kontrolle über dich und deinen Körper und die Umwelt. 

Und in diesem kompletten ERLEBTEN Kontrollverlust spürst du auch mehr oder weniger bewusst eine Todesangst. 

 

Darum muss es an dieser Stelle auch nicht bis zum Sturz kommen, es kann auch zum Glück gut ausgehen oder im schlimmsten Fall mit schwersten Verletzungen enden. Sowie es leider auch ganz tragisch tödlich enden kann.

 

Und ja, selbst wenn du so eine Situation zum Beispiel “nur” von der Bande aus erlebst, kann dies zu einer Traumatisierung führen. 

 

Panik und Schock

Auf die, mit intensiver Furcht oder Schreck reagiert wird. Ja manchmal zittert nach so einem Erlebnis noch der ganze Körper und wir spüren am ganzen Körper die Angst und Anspannung. Es ist auch möglich, dass wir “wie abgeschaltet” sind und ganz nüchtern und sachlich reagieren. Dann könnte es auch gut der Schock sein, der zum Teil sogar starke Schmerzen ausschalten kann und eben auch jegliche Form von Gefühlen. 

 

Und die komplett andere Verarbeitung deines Gehirns solcher Erfahrung führt dazu, dass du heute mit der Angst, dem Kopfkino und dem Vertrauensverlust (also Misstrauen in dich, deine Fähigkeiten, dein Pferd und die Umwelt) zu kämpfen hast. Und leider auch ganz häufig dich kleine Schritte, immer wieder positive Erfahrungen sammeln und bewusste Entspannung nicht aus dieser Schleife raus bringen. 

 

Warum ist dieser eine Sturz beim Reiten so sehr in Erinnerung geblieben?

Zurecht sagen jetzt viele, aber ich bin doch schon oft runter gefallen und bin einfach wieder aufgestiegen und weiter. Es hat keine Spuren hinterlassen. Warum dieser eine?

 

Ob eine traumatische Erfahrung, wie ein Sturz beim Reiten zu einer Traumatisierung führt, hängt von vielen Faktoren ab. 

 

Plötzlich - aus heiterem Himmel

Wie sehr hat dich diese Situation überfallen? Es gab bei mir einen Sturz, der mich aus mehreren Gründen mehr als 4 Jahre begleitet hat. Es war der erste und letzte Sturz von meiner Stute und bis zu diesem Zeitpunkt hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ich von ihr falle. Ich habe sie selbst angeritten und ja sie konnte bocken, doch das hat mich nie beeindruckt, es war für mich immer händelbar und sie war für mich immer zu jeder Zeit in jeder Situation händelbar. Und dann war da diese eine Situation und zack lag ich unten. Es war für mich völlig undenkbar bis zu diesem Zeitpunkt, dass ich in eine Situation mit ihr gerate, welche ich nicht händeln könnte. Das hat einen tiefen knacks im Vertrauen hinterlassen.

 

Erfahrungen und Fähigkeiten

Welche Erfahrungen und Fähigkeiten bringst du mit?

JA, wenn meine Fähigkeiten nicht mehr ausreichen, wird es noch schwieriger. Denn dann verliere ich immer mehr die Kontrolle und oder bin vielleicht auch immer mehr abhängig davon, dass jemand unten am Boden mich unterstützt. 

 

Erfahrungen - Vorbereitet sein auf etwas - Plötzlichkeit - unerwartet - unvorstellbar

Wenn ich innerlich und äußerlich gut auf das was kommt vorbereitet bin, werde ich von der Situation nicht so überrumpelt. Und bleibe dadurch in der schwierigen Situation handlungsfähig. Und um so handlungsfähiger ich in einer Situation bleibe, um so geringer die Gefahr einer Traumatisierung.

 

Resilienz 

Welche Strategien habe ich an der Hand mit solchen Erfahrungen umzugehen? Habe ich gelernt mit schwierigen, herausfordernden Situationen umzugehen? Habe ich gelernt mit Stress umzugehen?  

Im Fachchinesisch sagen wir dazu Copingstrategien. Zu Deutsch Bewältigungsstrategien. Und um so mehr gesunde Bewältigungsstrategien ich an der Hand habe, um so geringer die Gefahr einer Traumatisierung. 

 

Weitere Faktoren

Es gibt noch viele weitere Faktoren, die es wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher machen, ob aus einer traumatischen Erfahrung ein Trauma wird. Dazu wird es später einen extra Blogartikel geben, da dies den Rahmen hier sprengen würde.

 

Was passiert eigentlich in deinem Körper und Gehirn?

Unsere Sinnesempfindungen (sehen, hören, riechen, schmecken und spüren (Haut)), unsere Gedanken, unser Verhalten und unsere Gefühle werden getrennt voneinander in zersplitterten Einzelteilen gespeichert. 

Und so fliegen sie uns auch in den unterschiedlichsten Situationen um die Ohren.

 

Dein Pferd muss nur den Kopf heben, oder mit den Ohren wackeln und schon frierst du ein und kannst nicht mehr handeln. Also auch dein Pferd nicht mehr (gut) durchparieren oder anhalten? 

 

Eine Reiterin schilderte mir ein Erlebnis von einer Springstunde. Es lief alles ganz gut und sie war schon fast fertig, noch einmal den Parcours und fertig. Und sie war bereits auf dem Weg zum vorletzten Sprung, als aus heiterem Himmel die Panik wieder hoch kommt und sie komplett erstarrt. Sie war nicht mehr in der Lage anzuhalten, sie musste eingefangen werden. 

 

Und genau das will ich damit sagen, wenn dein Gehirn und dein Körper im Überlebenskampf sind, dann kannst du mit keinem Willen mehr auf deine Fähigkeiten zugreifen. UND das hat NICHTS mit dumm, unfähig oder sonst irgendwelchen Eigenschaften zu tun.

 

Was passiert hier, das Kopf hoch heben, oder das Ohrenspiel sind der Trigger (Schlüsselreize) und dadurch werden Teile von deinem Sturz vom Pferd in deinem Erleben aktiviert. Vielleicht spürst du die Panik, die Hilflosigkeit, die Ohnmacht oder das völlige ausgeliefert sein wieder.  Oder dein Körper erstarrt?  Oder dein Körper beginnt zu zittern, vielleicht zeigen sich auch Gedanken aus der alten Situation? Oder Bilder? Vielleicht verhältst du dich auch so ähnlich wie damals? 

 

Hier ist alles möglich! 

 

Was können Trigger sein?

Trigger, sogenannte Schlüsselreize oder auch Auslöser können auf allen Sinnesebenen stattfinden. 

  • visuelle Ebene - Bilder, Farben, Orte, Gesichtsausdrücke, Mimik, Ohrenspiel, ...
  • auditive Ebene - Töne, laute Geräusche, Stimmlage, Wörter, Sätze, Musik, ... 
  • kinästhetische Ebene - Wahrnehmungen auf der Haut, Berührungen, Materialien wahrnehmen, ... 
  • olfaktorisch und gustatorisch - Gerüche und Geschmäcke 

 

Und was passiert dann durch den Trigger?

Der Schlüsselreiz erinnert dich an den Sturz beim Reiten. Da dein Gehirn mit traumatischen Ereignissen nicht gut umgehen kann und sie anders abspeichert als normale Ereignisse, kommen entweder nur Teile oder auch sehr komplexe Erinnerungen an die Situation hoch. 

 

Die hochkommenden Erinnerungen können auf folgenden Ebenen kommen. Es kann sich nur eins, mehrere oder alle auf einmal zeigen. (Das nennt sich dann Flashback)

 

  • Bilder - es können Bilder bis ganze Filme sich von der traumatischen Erfahrung zeigen, sie können sich auch mit Horrorszenarien vermischen, mit was alles passieren könnte
  • Gedanken - Gedanken, die dir während des Sturzes durch den Kopf gingen tauchen jetzt einfach wieder auf. 
  • Gefühle - Angst, Panik, Hilflosigkeit, Todesangst, Ohnmacht, ausgeliefert sein, ... 
  • Verhalten - es kann sein, dass dein Körper mit dem gleichen Verhalten von damals reagiert
  • Geräusche - Geräusche von damals hören
  • Körperempfindungen - es können sich auch Schmerzen vom Sturz wieder zeigen, obwohl medizinisch alles gut abgeheilt ist

 

Wie die Kontrolle beim Reiten behalten?

Ein erster Schritt zu mehr inneren Ruhe, zu mehr Kontrolle über dich, deinen Körper und Situationen und Sicherheit ist das Verstehen.

  • Das Verstehen von Zusammenhängen, 
  • das Verstehen der Angst, 
  • das Erkennen und Identifizieren von Triggern, 
  • das Bewusstwerden von dem was dort passiert und in dir vorgeht
  • das Trennen von alten Gefühlen, Gedanken und Erfahrungen die sich in die Gegenwart mischen und die Gegenwart, was gerade wirklich passiert.

 

 

Dieses Verstehen führt häufig schon dazu, dass etwas Angst losgelassen werden kann und ein Stück Kontrolle zurück gewonnen wird. 

 

Das Verstehen ist jedoch häufig ein tiefer Prozess, denn vieles ist aus einem guten Grund unbewusst. Es soll dich Schützen! 

Daher kann es auch immer nur im eigenen Tempo geschehen und selten bis kaum erzwungen werden. 

 

Da es so tiefe Prozesse anstoßen kann, zu mehr Kontrolle und Sicherheit führen kann und oft durch die unbewussten Abläufe alleine so schwierig ist, gibt es hierfür mein online Training “Angst - Ade´- entspannt und sicher reiten”. 

 

In diesem Training gehe ich noch viel tiefer darauf ein, damit du es im geschützten Rahmen in deinem Tempo bewusst werden lassen kannst. Und deine ersten Schritte in Richtung Sicherheit, innere Ruhe und Kontrolle nicht alleine gehen musst.